HERR DER GLOCKEN
Interview von Hans-Conrad Walter, Kulturberatung und Kulturmanagement, Berlin
mit unserem Museumskoordinator und stellvertretenden Vorsitzenden
Weltweit gibt es ca. 31 Glocken- und Glockengießereimuseen, davon 11 in Deutschland. Keines davon ist in ein Konzept eines soziokulturellen Zentrums eingebunden und dient darüber hinaus als Kulisse für ein so vielfältiges Kulturprogramm.
Lieber Wolfgang Matthes, wie kam es zu der Idee des wohl einmaligen Gesamtkonzeptes der Kulturgießerei Saarburg?
Wir sind kein Glockenmuseum, sondern ein Glockengießereimuseum mit all seinen original erhaltenen Werkstätten (Gießerei, Schreinerei, Schmiede, Schlosserei), in dieser Form und Größe das Einzige in Deutschland. Nach dem Ende der Glockenproduktion 2002 übernahm die Stadt Saarburg die baulichen Anlagen mit Unterstützung der Verbandsgemeinde Saarburg, des Kreises Trier-Saarburg und des Landes Rheinland-Pfalz. Auf der Basis eines neuen Nutzungskonzeptes der heutigen Geschäftsführerin Dr. Anette Barth erfolgte ab 2008 mit der Fortführung der Glockengießerei als Museum, der Integration eines Mehrgenerationenhauses, des integrativen Begegnungscafés Urban sowie der Ehrenamtsbörse und der Kinder-Jugend-Kunstschule eine konzeptionelle Neuausrichtung und Weiterentwicklung hin zum heutigen soziokulturellen Zentrum mitten im Dreiländereck Deutschland-Luxemburg-Frankreich.
Seit 2010 verfolge ich als ehrenamtlicher Koordinator des Museums und Vorstandsmitglied des Trägervereins besonders die Inwertsetzung und Weiterentwicklung des Museums hin zu einem interessanten, sinnlich erlebbaren und inspirierenden Industriedenkmal.
Als ehrenamtlicher Vorstand koordinieren Sie seit Jahren den gesamten Museumsbetrieb des Museums Glockengießerei Mabilon mit vielfältigen Angeboten und führen selbst zahlreiche Besucher:innen über das Areal. Auf welchen beruflichen Werdegang blicken Sie zurück und was hat Sie motiviert, das Museum zu dem zu entwickeln, was es heute ist?
Als (ehemaliger) Gymnasiallehrer, der viele Jahre im Auslandsschuldienst unterrichtete, galt und gilt mein Interesse den Sprachen und der Kultur im weitesten Sinne. Nach meiner Rückkehr nach Saarburg erkannte ich das brachliegende Potenzial eines Industriedenkmals, das darauf wartete, einem breiten Publikum als einzigartiges Glockengießereimuseum präsentiert zu werden. Meine Ausbildung zum Gästeführer sowie die Nachfrage nach (fremdsprachlichen) Gästeführungen führte dazu, dass ich mich seitdem engagiere. Durch Schautafeln, Stationen, Audioguides, Beleuchtungskonzepte und vielem mehr machen wir seitdem das Museum einem regional, national und international breiteren Publikum zugänglich und entwickeln für jeden verständliche museumspädagogische und didaktische Angebote.
Was waren die größten Herausforderungen und die unvergesslichen Momente innerhalb des langjährigen Museumsmanagements, wer sind die Zielgruppen des Museums Glockengießerei Mabilon und woher kommen die über 9000 Museumsbesucher:innen pro Jahr?
Herausforderungen waren und sind noch immer die Beschaffung der finanziellen Mittel, um all die oben genannten Maßnahmen umzusetzen, sowie bauliche Mängel eines 250 Jahre alten Gebäudes und anerkannten Denkmals zu beseitigen. Als unvergessliche Momente für mich zählen zweifellos viele der Kulturveranstaltungen in unserer Gießhalle (Konzerte, Theater, Kabarett und viele weitere), die auch von Künstler:innen und Gästen als »einzigartiges historisches Ambiente« wahrgenommen wird. In besonderer Erinnerung ist mir auch die Überreichung des Preises »Museum des Monats März 24« durch das Kulturministerium Mainz geblieben, da damit auch eine offizielle Anerkennung unserer Leistungen und Verdienste über unsere Region hinaus verliehen wurde. Unsere Besucher:innen sind kleine und große Menschen mit Neugier und Interesse an diesem ganz besonderen Handwerk des Glockengießers, das leider vom Aussterben bedroht ist. Familien, Kinder, Jugendgruppen, Senioren, Menschen mit Beeinträchtigungen, nationale und internationale Reisegruppen, Flusskreuzfahrer, Radfahrer und Wanderer, Gäste aus allen Nationen, jeglicher Herkunft und Couleur … sie alle besuchen unser Museum und nehmen Erinnerung an ein ganz besonderes Handwerk mit nach Hause.
Welchen Tipp haben Sie für die Leser:innen?
Besuchen Sie unsere schöne Region, bewundern Sie die Highlights der Stadt Saarburg: die Burg, den Wasserfall, die Altstadt, die Unterstadt an der Saar, und die drei sehenswerten Museen der Stadt: das AMÜSEUM, die Hackenberger Mühle und unser Museum Glockengießerei Mabilon. Schauen Sie unbedingt bei uns vorbei. Lernen Sie, wie eine Glocke entsteht, seien Sie begeistert von der Atmosphäre, fühlen Sie Respekt vor diesem komplizierten Handwerksberuf, nehmen Sie schöne Erinnerungen an unsere Werkstätten mit und erzählen Sie Ihrer Familie, Freunden und Bekannten von uns!
WOLFGANG MATTHES stammt aus dem Raum Rhein-Neckar, studierte Lehramt für Gymnasien an den Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen für die Fächer Englisch, Geographie, Sport und Deutsch als Fremdsprache. Nach dem Referendariat in Trier unterrichtete er am Gymnasium Saarburg, verbrachte jedoch insgesamt 15 Jahre im Auslandsschuldienst sowohl an der Deutschen Schule Lissabon als auch an der Europäischen Schule Varese (Italien).